Race through Poland #7 2025: 1589 km durch Tschechien, Deutschland, Österreich und ein bisschen Polen

By koga, 1 June, 2025

Bilder folgen noch

Um 5:02 stehe ich an der Startlinie, alle anderen sind schon weg. Ich frage die Freiwilligen, wo genau die Startlinie ist. Ich will keinen Meter weniger fahren als die anderen. Ich drehe mich um, überquere die imaginäre Linie und werde von den Freiwilligen angefeuert. Ein bisschen spät, aber die Stimmung ist gut. Ich hole schnell die ersten Fahrer ein und überhole einige. Beruhige dich, du bist noch voller Adrenalin. Ich werde etwas langsamer. Mir ist warm. Bei den ersten Anstiegen sind es fast -2 °C und ich schwitze.

Ich schaue mir die Ausrüstung der anderen an und sehe Rucksäcke und Flip-Flops. Ich denke darüber nach, was ich eingepackt habe: Habe ich überhaupt Ersatzunterwäsche für die Nacht? Ja, eine lange Leggings. Und ein T-Shirt? Argh, das habe ich nicht auf die Liste gesetzt oder mir eingeredet, dass ich es nicht brauche. Aber dafür habe ich eine Daunenjacke dabei.

Der Startparcours ist schön und mit 36 km und 953 hm schnell geschafft. Die Sonne kommt heraus und es wird sehr schnell warm. Ich mache eine frühe Pause, um mich auszuziehen, Sonnencreme aufzutragen und meine Sitzfläche zu reinigen und neu zu schmieren. Wir wollen dort unten nichts riskieren, oder?

Was die Kleidung angeht, habe ich ein dickes Unterhemd, ein dünnes Langarm-Trikot (beide habe ich während des gesamten Rennens getragen), 2 Windwesten, ein dickes Langarm-Trikot und eine Regenjacke mitgenommen. Beinwärmer, eine lange wasserabweisende Hosen, zwei Buffs, kurze und lange Handschuhe, Regenhandschuhe und Überschuhe. Das ist ziemlich viel Kleidung, aber bei so niedrigen Temperaturen war ich mit meiner „Feinlagenstrategie“ zufrieden.

Am Abend vor dem Rennen nahm ich noch einige Änderungen an meiner Route vom Startpunkt bis zum Beginn des CP1-Parcours im Isergebirge vor. Aus irgendeinem Grund entfernte ich einige der Sperrzonen, mit denen ich die verbotenen Straßen markiert hatte. Ich sah die Straßennummern auf meinem Handy nicht und dachte: „Das wird schon gut gehen, ich war bei der Planung einfach nur dumm“.

Es stellte sich heraus, dass meine ursprüngliche Planung ziemlich gut war und ich jetzt zweimal auf verbotenen Bundesstraßen landete. („Warum fahren die anderen auf dem Gehweg, wenn die Straße doch völlig in Ordnung ist?“). Beide Male meldete ich mich bei Piko, um kein schlechtes Gewissen zu haben (Karma und so).

Die Durchfahrt der ersten größeren Stadt, Jelenia Gora war auch etwas stressig („Die Straße ist so stark befahren, sie MUSS gesperrt sein“). Ich mache eine kleine Pause bei LIDL, um meinen Stresspegel zu senken. 6 Stunden nach Beginn des Rennens.

Tag 1: Isergebirge und „Hardship Climb“

Es war nicht mehr weit bis Lesna, wo der erste Parcours zum Kontrollpunkt "Hala Izerska" begann. In der kleinen, abgelegene Stadt traf ich Bastian, den ich aus Bonn kenne. Er war auf der Suche nach einem Laden, also unterhielten wir uns nur kurz und ich fuhr weiter. Dann hielt ich an und er raste vorbei, am ersten Anstieg holte ich ihn wieder ein. Das übliche Hin und Her.

Dann kündigte ich scherzhaft an, anzugreifen, und trat in der Abfahrt kräftig in die Pedale. Ich ahnte nicht, dass dies das letzte Mal sein würde, dass wir uns sehen.

Der Parcours führte durch Wälder, über Betonplatten und natürlich ständig bergauf und bergab. Auf den Wegen, auf denen wir fuhren, waren viele Wanderer unterwegs, die merkten, dass wir ein Rennen fahren. Irgendwann teilte sich eine Gruppe junger Leute auf beide Seiten der Straße auf und machte eine Laola-Welle. Das ist Energie! Dann fand ich einen Mars und einen Handschuh. Der Mars war lecker, der Handschuh nervte mich nach einer Weile und es sah nicht so aus, als würde ich den Besitzer finden. Aus irgendeinem Grund trug ich ihn bis zum nächsten Tag mit mir herum und ließ ihn dann auf dem Klinovic liegen.

Die Anstiege sind okay, aber es gab Gerüchte über den Hardship Climb, der unter polnischen Rennradfahrern bekannt ist. Als ich einen steilen Anstieg hinauffahre, denke ich: „Das ist ganz okay, steil, aber der Asphalt ist gut. Ich schaue auf meinem Garmin ins Höhenprofil und stelle fest, dass dies noch nicht der berüchtigte Hardship-Anstieg ist. Autsch. Ich komme an einer Familie vorbei, die grillt. Sicher, das ist eine Möglichkeit, einen sonnigen Samstagnachmittag zu verbringen.

Bevor der harte Anstieg beginnt, finde ich einen Wasserbrunnen, den ich schon herbeigeseht habe. Das Wasser ist besonders: Stinkendes Mineralwasser. Vermutlich ein Zeichen für Qualität! Bei jedem Schluck, bei dem ich nicht an den Geruch denke, ekelte ich mich kurz. Aber okay, es ist nicht der schlimmste Geruch, den ich erleben würde.

Der Hardship Climb hält, was er verspricht. Selbst mit meiner 40-Zahn-Kassette schaffte ich nur die Hälfte. Aber schieben war genauso anstrengend wie fahren. Zumindest habe ich Gesellschaft!

Der Checkpoint selbst befindet sich auf einer Lichtung und die Sonne steht schon tief. 12 Stunden sind seit dem Start vergangen. Das ist eine gute Zeit. Ich organisierte mich etwas und bewundere das Fahrrad des Mannes, der den Anstieg mit einer 26er Kassette bewältigt hat („Ich habe gerade von einer 28er gewechselt und bin ganz zufrieden“). Lol.

Die meisten von uns, wenn nicht sogar alle, fahren denselben Weg zurück, den wir gekommen sind. Ich nehme nur eine Abzweigung, um den Hardship Climb nicht auch wieder herunter fahren zu müssen. Ich halte wieder an der stinkenden Wasserstation an und tanke auf. Beim nächsten Geschäft habe ich einen krassen Tiefpunkt. Ich zittere und will sofort eine warme Dusche und ein Bett. Ich schaue nach Unterkünften, aber alles zu weit weg. Ich fahre langsam weiter, was auch sonst? Ich mache einen Umweg nach Frydland, wo ich kurz vor Geschäftsschluss einen Dönerteller esse. In der anbrechenden Nacht fahre ich weiter bis zum Stadtrand von Zittau, wo ich mich ins Nachtleben stürze. Ich kaufe mir einen Tee an der 24-Stunden-Tankstelle, die ich auf meiner Liste dick markiert hatte. Das war das Ziel für heute! Als ich den Tee ausgetrunken habe, ist mir wieder kalt. Das war also ein unnötiger Stopp. Ich fahre weiter, weil ich etwas Abstand zwischen mich und die Partygänger bringen will, bevor ich mir einen Schlafplatz suche. Ich fahre einen Berg hinauf, vor mir liegen breite, leere Straßen. Auf meiner Karte sehe ich ein Wandergebiet mit einigen Schutzhütten. Die erste siht toll aus. Oh, da steht ein Fahrrad drin, seltsam – ach ja, natürlich, ein Mitfahrer war schneller. Nächste Schutzhütte – dasselbe. Plötzlich stehe ich vor einer riesigen Baustelle, wo die ganze Brücke neu gebaut wird. Zum Glück gibt es einen Weg durch das (sehr) kleine Becken. Et voilà, um die Ecke finde ich meine eigene Bushaltestelle.

Tag 2: Klinovic und Erzgebirge

Am nächsten Morgen werde ich von einem Kuckuck und einer Amsel geweckt – um 4 Uhr morgens, nach etwas mehr als 3 Stunden Schlaf. Ich packe alles zusammen, nehme einen Schluck von meinem restlichen Stinke-Wasser und steige um 5 Uhr aufs Fahrrad. Das Ein- und Auspacken könnte schneller, was das draußen übernachten angeht bin ich etwa außer Form. Die späten Abendstunden, wenn alles ruhig wird, und die frühen Morgenstunden sind meine Lieblingszeiten zum Radfahren. An diesen Morgen erinnere ich mich nicht besonders viel. Es ist Sonntag und gegen 8 Uhr überquere ich die Elbe und hoffe auf ein Café in Vêdomice. Aber ich habe kein Glück, also fahre ich weiter in Richtung CP2 im Erzgebirge. Heute haben wir Gegenwind, der am Nachmittag stärker wird. Ich erreiche den Startpunkt des Parcours wieder pünktlich gegen 13 Uhr. Als ich die Route lade, erschrecke ich: 120km und 3200hm, das ist ja mehr als gestern..

Zum Klinovic geht es hoch auf über 1200m, der bisher mit Abstand höchste zu erklimmende Berg. Ab 900m verdichtet sich die Luftfeuchtigkeit zu Regen. Aussicht gleich null, also schnell dicke Sachen anziehen und wieder runter.

Nach dem Klinovic fahren wir zum ersten Mal nach Deutschland rein. Auf dem Rest des Parcours gibt es keine Verpflegungsstellen mehr, also versorge ich mich auf der tschechischen Seite, wo die Supermärkte 7 Tage die Woche geöffnet sind.

Ab jetzt folgen ein paar kleine Anstiege, die im Höhenprofil nicht schlimm aussehen. Aber sie sind steil und folgen Schlag auf Schlag. Der Bärenstein ist zu sehen und na klar, eine letzte lange, sehr steile Rampe führt dort hinauf. Immerhin weiß ich, dass es einen knappen km später wieder nach Tschechien geht und dort noch eine Tankstelle geöffnet hat. Am Checkpoint selber bleibe ich nur kurz. Es ist sehr warm in dem kleinen Raum und wenn der Körper erst runterfährt, wird das losfahren umso schwieriger.

An der Tankstelle folgt das Standard-Programm: Haribo, Chips, Wasser. Dann fahre ich wieder an Kadan vorbei. Die Parcours enden meistens so, dass wir auf der Weiterfahrt durch die gleichen Orte kommen. Die Industrieanlagen sind beeindruckend.. Am Ende des Orts bleibe ich stehen. Ich hätte wieder gern eine Unterkunft, aber das gestaltet sich nicht so einfach. Ich könnte frühestens um 23:00 dort sein, aber der Betreiber, will, dass ich online bezahle, aber nicht über booking sondern seine Website. Leider ist mein Tschechisch nicht gut genug und nach einigem hin und her (er will lieber 3 Stunden warten, als das ich über booking buch), sage ich ab. Wenn das schon so anfängt, dann ist der Ärger vor Ort schon vorprogrammiert (Wie komme ich um 4:00 an mein Rad, darf es in mein Zimmer?). Ohnehin wäre ich nie im Leben um 23:00 dort gewesen. Also suche ich mir wieder eine gemütliche Bushaltestelle. Gegen 24:00 lege ich mich für ca 4h schlafen.

Tag 3: Nationalpark Bayrischer Wald / Sumava

Der Streckenabschnitt nach Pilsen ist sehr schön. Viele kleine verlassene Sträßchen und Natur. Ich komme an einer Psychiatrischen Klinik an einem See vorbei, die eine Filmkulisse abgegeben könnte. Menschen sehe ich kaum welche. Nach 2 Tagen ohne, schaltet sich meine Verdauung plötzlich in die Tagesplanung ein. Gelegentliches Hocken am Wegesrand und Purzeln durch Dornen muss ich dann jetzt wohl auch einplanen. Nagut...

In Pilsen schüttelt mich das Kopfsteinpflaster in der Altstadt ordentlich durch. Scheint eine schöne Stadt zu sein. In Prestice führt eine Furt zum Fluss hinunter und halte meine Füße ins kalte Wasser. Ich habe die größeren Schuhe mitgenommen, damit eine zusätzliche Lage Socken und die Woll-Einlegesohlen rein passen. Meistens fahre ich jedoch ohne. Das führt scheinbar dazu, dass mein rechter Fuß einen Druckpunkt entwickelt, der nun leicht unangenehm anschwellt. Auch die gescholtene Muskulatur freut sich über die Abkühlung.

Von Tschechien aus müssen wir den Höhenzug des Bayerischen Walds bereits vor Beginn des Parcours kreuzen, da dieser in Spiegelau beginnt. Die Anfahrt nach Zelezna Ruda / Bayerisch Eisenstein führt mich über die 190, eine leider viel befahrene Straße, die mich ziemlich stresst. Außerdem ist es ziemlich warm geworden. Ich biege von der Straße ab über einen Hügel und plane die Strecke bis zum Anstieg neu. Ich Umrunde einen Stausee und der Anstieg selber verläuft auf einer Nebenstrecke durch den Wald. Perfekt!

Von hier aus ist Vorsicht geboten: Wir dürfen die Nationalparks Bayerischer Wald und Sumava nur auf dem vorgegebenen Parcours betreten. Jeder Verstoß führt zur Disqualifikation, da die Absprache mit den Nationalpark-Verwaltungen besagt, dass wir uns dort sonst nur als Privatpersonen aufhalten dürfen. Es geht über Schotterwege parallel zur B11 Richtung Spielgelau. Auf dem letzten Abschnitt ist die Straße abgefräst und es geht über mehrere km über feine Unebenheiten, die irgendwann auch ein etwas psychodelisches Muster ergeben. Ich hole dort 2 Leute ein, der eine war wirklich verärgert und meinte nur "Das hat er doch mit Absicht gemacht!". Mit "er" war Piko unser phantastischer Organisator gemeint und die Absicht soll darin bestanden haben, dass er uns in der Anfahrt zum Start des Parcours auf diese schlechten Straßenverhältnisse gelockt hat. Ich antwortete ihm, dass ich 3 Bar und tubeless empfehlen würde und fuhr zügig an ihnen vorbei.

Ich war mir sicher, dass es genau am Startpunkt des Parcours einen Supermarkt gibt. Das stimmt aber leider nicht, also musste ich zurück. Im Auftrag meiner Blase frage ich im Netto und im Penny nach einer Kundentoilette, beide haben jedoch kein. Ich vermute, dass die Nationalpark-Ranger es gar nicht gern sehen wenn wir am Wegesrand stehen und uns erleichtern. Eine andere Möglichkeit als weiterfahren sehe ich jedoch nicht. Die Straße im Nationalpark ist perfekt aspahltiert und als ich einen Chip verlor erinnerte ich mich an den Appell von Piko, bitte jeden kleinen Fitzel Müll einzusammeln, den wir verlieren. Und der Chip fiel schon sehr auf, also machte ich natürlich kehrt und hob ihn auf.

In der einbrechenden Dunkelheit würde mir jetzt gerne ein paar wärmere Sachen anziehen, allerdings ist jedes vom Sattel steigen aufgrund der Blasensituation etwas riskant. Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich am linken Wegesrand Komposttoiletten ausfindig machte. Große Erleichterung!

Im Dunkeln ging es nun über endlos lange Geraden durch den Nationalpark. Bestimmt ein schöner Ausblick. Irgendwann überquerten wir wieder die Grenze nach Tschechien. Gegen 23:30 kam ich am CP3 an, der ca 40km vor Ende des Parcours hinter einer Einbiegung lag. Das wurde Tim de Witte, dem drittschnellsten Fahrer zum Verhängnis. Er beschwerte sich am Ende des Parcours, warum der Checkpoint nicht besetzt sei.

Ich hoffte mal wieder auf ein Zimmer und eine Dusche. Doch ich hatte wieder kein Glück, die wenigen Zimmer waren schon ausgebucht. Hm, was nun. Zum Weiterfahren war es zu spät, drinnen schlafen behagte mir aber so gar nicht wegen der Unruhe und der wieder mal etwas zu gut gemeinten Wärme. Kurzerhand schlug ich mein Camp auf dem Spielplatz unter der Rutsche auf. Perfekt, bis auf den eisigen Wind, der mir in der Nacht in den Schlafsack bließ. Da war ich wohl etwas nachlässig beim Einmummeln.

Tag 4: Dreisessel, die Fähre und die tschechische "Ebene"

Pünktlich gegen 5:00 fuhr ich los zum Dreisessel, dem Gipfel an der Grenze von Tschechien und Deutschland und dem Endpunkt des dritten Parcours. Die Morgenstimmung war großartig. Es war eisig kalt, das störte mich aber wenig. Oben angekommen, reichte der Blick fast bis zu den Alpen. Ich erklomm natürlich noch die Extra-Stufen bis hoch auf den Felsen.

Der nächste Parcours geht zum Praded hoch, ist also ca 400 km weit entfernt. Da sich der Nationalpark Sumava auf der tschechischen Seite weiter in den Süden zieht, ist die Weiterfahrt aber gar nicht trivial. Im Grunde gibt es 2 Varianten: Ein Stück auf dem Parcours zurück und per Gravel-Umleitung durch Lenora, das wäre die Nordvariante, tendenziell die kürzere und etwas flachere Variante. Die Südvariante führt runter in die Ortschaften, nach Österreich rein und dann am südlichen Zipfel des Nationalparks vorbei zum Moldaustausee. Dort gibt es eine Fähre oder eine 13km lange Umfahrung des Sees.

Ich entschied mich für die Süd-Variante, da mir die Nordvariante aufgrund der verbotenen Straßen die umfahren werden mussten und der dürftigen Versorgungslage etwas unsicher erschien. Ich kürzte die Südvariante aber ab, in dem ich nicht in die Ortschaften runter fuhr, sondern durch den Wald direkt entlang der tschechischen Grenze. Die einzige Schwierigkeit war der Grenzübertritt nach Österreich, hier musste ich mein Rad kurz tragen. Aber nach 5 Minuten war ich wieder auf perfektem Gravel-Untergrund unterwegs. Die Abfahrt zum See macht Spaß und trotz gutem Zug auf der Kette, war die Fähre gerade abgefahren. Wohlmöglich könnte ich sie eh nicht bezahlen, da der Automat nur Kronen akzeptiert. Also fahre ich direkt weiter. Die Umrundung des Moldaustausees lohnt sich landschaftlich definitv. Und auch bis Budweis werde ich von den Ausblicken nicht enttäuscht. Und auch nicht von den Anstiegen. Die führten über kleine Wirtschaftswege und Ortschaften auch hier recht steil bergan. Richtung Budweis öffnete sich jedoch das Tal und an einem Supermarkt machte ich meinen Mittagsstopp. Ich kaufte ordentlich ein, kühlte meine Oberschenkel mit tschechischem Calippo und hatte gar nicht wirklich Lust weiter zu fahren. Also gammelte ich noch eine Weile herum. Eine halbe Stunde schlafen wäre wahrscheinlich produktiver gewesen.

Hinter Budweis wurde es wirklich mal flach. Kurz nach dem städtischen Trubel tauchte ich durch Wälder und über leere Straßen in eine wunderschöne Seenlandschaft ein. Diese zog sich Dutzende km weit und ich konnte ordentlich km abspulen.

Auf dem Weg nach Jihlava geriet ich auf eine sehr ungemütliche Landstraße. Hier waren alle unterwegs: Mit Holz beladene LKW, eilige Berufspendler und Hobby-Rennfahrer. Irgendwann bog ich auf einen Waldweg ein und schrieb eine Warnung in unsere Whats-App Gruppe. Eine der wenigen nicht-verbotenen Straßen, die wirklich gefährlich war. Auf dem Waldweg war ich etwas unvorsichtig und schlug mir ein Loch in den Schlauch. Schnell das Loch nach unten gedreht, damit Dichtmilch reinlaufen kann, die Tubeless-Würste ausgepackt und eine davon reingedrückt. Und schon ist das Loch wieder dicht. Aufgepunpt und weiter gehts. Eine Panne, die keine 5 Minuten Zeit gekostet hat.

In Jihlava war ich zu Sonnenuntergang und ich erreichte meinen nächsten Tiefstpunkt. Es wurde kalt, ich fing an zu zittern und die Stadt war so ganz anders als ich sie mir vorgestellt habe. Groß und viel Verkehr, ich musste hier schnell raus. Aber ich musste auch was essen und eine Unterkunft finden. Schnell auf booking.de geguckt, eine Unterkunft 50km entfernt gebucht und versucht dort anzurufen: Erfolglos. Also direkt wieder die Buchung rückgängig gemacht, nur nicht noch mehr Stress damit aufhalsen. Weiter zum Lidl. Dosenfisch, Linsensalat und das übliche eingekauft. Dann ab in einen Park, wo ich in Ruhe essen kann. Ok, schon besser. Dicke Sachen angezogen und weiter gehts. Ich fuhr ein paar km aus der Stadt heraus und checkte in einer Komfort-Bushaltestelle ein mit Tür, Fenstern und Restwärme. Perfekt. Erst fand ich es etwas unheimlich, weil es noch eine verschlossene Tür gab und ich mir nicht sicher war, ob das nicht eine Toilette ist die gerade benutzt wird. Aber das Plätschern vom Wasser war nur der Bach nebenan.

Mit 270 km und 3349 m in 12h Fahrtzeit war das der kürzeste Tag der der Tour (sonst: 14-17h). Obwohl es weitestgehend flach war. Offenbar sind 3-4 Stunden Schlaf bei eisigem Wind einfach zu wenig. Immerhin bin ich dafür auch schon früher an meinem Schlafplatz. Ich plante also für diese Nacht 5 Stunden ein.

Tag 4: Mit guten Beinen zum Praded und Zieleinlauf

Als ich am Morgen die älteren Damen an der gegenüberliegenden Bushaltestelle höre, ist es Zeit aufzustehen. Wieder pünktlich gegen 5:00 gehts los. Heute wird ein großer Tag, denn ich möchte bis zum Ziel kommen. Ich habe einfach keine Lust mehr noch eine Nacht irgendwo stinkend zu verbringen. Jetzt ist durchziehen angesagt.

Es wird wieder hügeliger und nach ein paar Gravel-Abkürzungen um verbotene Straßen zu vermeiden komme ich nach den ersten gut 150km am Startpunkt zum Parcours an. Kurz zuvor sah ich einen Läufer mit einer Fackel. Ist der auf dem Weg nach Olympia, oder wo auch immer die Olympischen Spiele stattfinden?

Das Gute ist: Der Parcours ist nur 51km lang, dafür gehts jedoch nur hoch und runter, über 2000hm. Am ersten kleinen Anstieg merke ich, dass die Beine in Kletterlaune sind. Ich fahr schnell. Der Kreislauf kommt richtig auf Touren. Eigentlich war mein Kreislauf ab dem zweiten Tag in einem Dämmerzustand und heute habe ich meinen Pulsgurt, gar nicht erst angezogen. Es hätte sich aber gelohnt. Es fühlte sich einfach gut an, so schnell den Berg hochzufahren. Etwas habe ich mich trotzdem gebremst, denn es geht ja nicht nur darum auf den Pradet zu kommen, sondern danach noch 160 km bis in Ziel zu fahren.

Trotzdem: Auch der Anstieg zum Pumpspeichersee, den ich wegen Nebel und Nieselregen leider nicht gesehen habe, lief gut. Ein Bus, offenbar mit einer Reisegruppe überholte mich. Auf der Abfahrt fuhr ich auf ihn auf. Jetzt war mir nicht nur kalt, sondern jetzt wurde auch das Leiden noch künstlich hinausgezögert. Vor dem nächsten finalen Anstieg zum Praded bog der Bus jedoch ab. Kein Wunder, denn die Passage hätte er kaum geschafft. Der Asphalt endete recht schnell und der Untergrund wurde weich, aber gut fahrbar. Kurz vor dem Ende waren sehr grobe Steinplatten ausgelegt. Ich schob lieber, denn noch einen Platten oder schlimmeres brauchte ich hier oben nicht.

An der Hütte angekommen war ich guter Dinge und in der Tür kamen mir 4 Fahrer entgegen, die jetzt das letzte Stück zum Gipfel hochfuhren und dann um die hinteren Plätze in den Top20 um die Wette fuhren. Ich war hin und hergerissen. Sollte ich auch sofort weiter, oder Pause machen? Es gab leckeres Essen, sogar vom Buffet, also würde nichtmals viel Zeit verloren gehen. Ich entscheid mich für das Essen, das durchaus lecker war. Allerdings merkte ich auch, dass meine Anwesenheit zu ertragen den übrigen Menschen schwer viel.

Das Essen dauerte dann doch etwas länger als gedacht. Auf dem Praded angekommen, fing es ordentlich an zu regnen und zu stürmen, also schnell wieder runter. Den riesigen Turm sah ich später erst auf Fotos. Ich fuhr, bzw schob den gleichen Weg zurück, den ich gekommen bin. Am Ende der "Abfahrt" quietschte meine hintere Bremse auf einmal und roch stark verbrannt. Ok, der Bremsbelag ist durch. Da noch einige Abfahrten kommen würden, nahm ich mir die Zeit ihn zu wechseln. Kein Spaß bei der Kälte und Nässe.

Weiter ging es Richtung Finisher-Parcours. Es gab eine Routenvariante durchs Tal und eine Abkürzung über die Berge, für die ich aber keine Route vorbereitet hatte. Ich entschied mich trotzdem sie zu fahren. Ein schwerer Fehler. Denn ich verpasste so meinen letzten möglichen Versorgungsstopp und verfuhr mich, sodass ich die Nachteile der ursprünglichen Route und die der Abkürzung vereinte. Dafür konnte ich die Wolken etwas aufklaren sehen und ein Dutzend Hirsche (?) liefen vor mir in den Wald.

Die nächsten Antiege gingen trotzdem gut, das Essen vom Checkpoint hielt noch vor. Am Finisher Parcours sollte sich das jedoch ändern: Auf knapp 70km kamen nochmal 1200hm zusammen. Im Dunkeln konnte ich mich nichtmals an der schönen Landschaft erfreuen. Stattdessen rief ich den Tieren zu, dass sie mir nicht vors Rad laufen sollen und einige andere Dinge, die beim Nacherzählen eher komisch wirken würden.

Ich hatte jetzt keinen guten Fahr-Modus mehr. Langsam taten mir immernoch die gleichen Körperteile weh und schnell war es auch nicht besser. Irgendwie quälte ich mich dahin. Auf dem Tracker sah ich, dass einer der 4 Fahrer vor mir Probleme hatte und lange stehen blieb. Der Arme. Dann ging es bei ihm weiter. Dann wieder Pause. Naja, immerhin liegt er nicht im Graben. Ich überholte ihn als er sein Rad schob, ca 1h vor dem Ziel. Das war nicht gerade das Renn-Feeling, dass ich mir fürs Ende erhofft hatte.

Platz 19 nehme ich trotzdem. 4 Tage 20 Stunden 47 Minuten. Für 1589km und 23951hm bei -2 bis über 20°C, Sonne, Regen und sonstigem Hardship.

Tausend Dank an Piko für den warmen Empfang um 1 Uhr nachts mit Suppe, netten Worten und Interesse an meinen Erlebnissen. Das ist bei 150 Teilnehmenden (ca 40% DNF) absolut nicht selbstverständlich.

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